Interview mit Hannah Herzsprung
INWIEFERN HAT SICH DIE ARBEIT BEI ‚DIE BLUMEN VON GESTERN’ VON ‚VIER MINUTEN’ UNTERSCHIEDEN, DEM FILM, MIT DEM SOWOHL SIE ALS AUCH DER REGISSEUR BEKANNT GEWORDEN SIND?
Gar nicht. Chris Kraus und ich haben über die Jahre immer Kontakt gehalten. Ich sollte auch in seinem letzten Kinofilm ‚Poll’ eine kleine Rolle übernehmen, die dann aber vor Beginn der Dreharbeiten gestrichen wurde. Diesmal war es eine besondere Situation, weil die Figur der ‚Hannah’ so weit weg von der Hannah ist, die ich privat bin. Wir haben Gott sei Dank einige Proben gehabt und mehrere Kostüm- und Maskentests, diese intensiven Vorbereitungen kannte ich ja schon von Chris. Er gibt uns in der Arbeit immer die komplette Aufmerksamkeit, egal, was technisch um uns herum passiert, egal, wieviel Druck und wieviel Stress herrschen. Das ist jetzt genau zehn Jahre her, dass wir „Vier Minuten“ gedreht haben, und ich glaube, das wird uns immer verbinden. Jeder von uns hat sich natürlich danach weiterentwickelt und viel erlebt und gemacht. Aber als es dann mit dem ersten Drehtag losging, sind wir uns auf der gleichen Vertrauensebene wie vor zehn Jahren begegnet. Gefühlt hatte sich da überhaupt nichts verändert.
AUCH MIT LARS EIDINGER HABEN SIE NICHT ZUM ERSTEN MAL ZUSAMMENGEARBEITET.
Nein, wir kannten uns von Tim Fehlbaums ‚Hell’. Lars ist ein wundervoller Mensch, unglaublich herzlich und wahnsinnig lustig, und als Schauspieler sowieso ein Ereignis. Es ist unglaublich, was er da macht, seine Spielleidenschaft, die kriegt man eins-zu-eins ab, und man darf einfach reagieren. Das macht es uns Kollegen leicht. Er hat eine so große Ausstrahlung und Präsenz, die einen mitnimmt auf diese Reise, das ist ein großes Geschenk!
SIE MUSSTEN FÜR DIE ROLLE DER HANNAH BLUMEN SOGAR AN GEWICHT ZULEGEN.
Ich war für die Rolle eigentlich zu jung, deshalb haben wir in der Maske einiges ausprobiert, mit einer Alterungsmaske und eben mit diesem „Fett-Suit“, der für die Figur der Hannah wichtig ist: Sie hat sich so etwas wie einen Schutzpanzer angegessen, um all das, was sie mit ihrem Mann erlebt, durchstehen zu können. Das fand ich toll, das mit Chris Kraus zu entwickeln, in den Masken- und Kostümtests, das war eine tolle Vorbereitungszeit. Kostüm und Maske sind für mich wichtige Faktoren, weil man sich viel mit dem Regisseur bespricht, weil man die Figur verinnerlicht. Man spürt, wenn man in das Kostüm reingeht, wie sich die Figur nochmal perfektioniert und den letzten Schliff bekommt.
IHRE FIGUR HANNAH BLUMEN WIRKT MANCHMAL HART GEGENÜBER IHREM EHEMANN TOTO, MANCHMAL GIBT ES SZENEN VON GROSSER ZARTHEIT. WIE HABEN SIE DEN SPAGAT GESCHAFFT?
Wir zeigen ja nur Ausschnitte der Figur. In den Vorbereitungsproben zum Beispiel haben wir ganz andere Szenen des Ehepaars improvisiert, damit Lars und ich die vielen widersprüchlichen Facetten ihrer Figuren auch fühlen und füllen können. In der Rollengestaltung hilft das sehr, und für die wenigen Szenen von Innigkeit, die meine Figur im Film zeigt, war das unabdingbar. Hannah Blumen ist eigentlich eine warmherzige Person, nur verbittert durch dieses Leben an der Seite dieses traumatisierten Holocaustforschers. Ich habe meine Figur am Ende sehr gut verstehen können und empfand deren Widersprüche auch gar nicht als Spagat.