DIE BLUMEN VON GESTERN Interview mit Chris Kraus

Interview mit Chris Kraus

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine sozusagen romantische Komödie unter Holocaustforschern erzählen zu wollen?

Vielleicht, weil ich selbst einmal eine Art Holocaustforscher war. Vor 15 Jahren bin ich auf eine Version meiner Familiengeschichte gestoßen, die mich viele Jahre nicht losließ. Ich habe die Verstrickungen meines Großvaters in seine SS-Vergangenheit doch recht gründlich erforscht.

Im Verlauf meiner Recherchen habe ich dann mit vielen Fachhistorikern zu tun gehabt, war in zahlreichen Archiven in Deutschland, Lettland, Polen unterwegs und habe mich in diese Materie geradezu eingefressen. Es ist auch ein Buch entstanden für meine Kinder, ein privates Fachbuch, ein Familienatlas des menschlichen Makels. Und als Nebenprodukt dieser Untersuchungen, die doch sehr deprimierend waren und in den Höllenschlund der conditio humana blicken ließen, habe ich mir dann so eine etwas aufmunternde Liebesgeschichte ausgedacht.

Wie haben Sie die Situation in den Archiven erlebt? Passte da eine so romantische Anordnung wie in Ihrem Film hinein?

Sie müssen sich das eher surreal vorstellen. Wenn man in diesen Archiven sitzt, in der auch im Film verhandelten „Zentralen Stelle Ludwigsburg“ zum Beispiel, einem Archiv mit den weltweit umfangreichsten Täterakten, dann findet man da im Lesesaal einerseits die Nachfahren der Täter. Und andererseits hocken direkt daneben die Nachfahren der Opfer. Alle sind ihrer Familiengeschichte auf der Spur. Da kommt es dann zu den absurdesten Dialogen, wenn man mittags in der Cafeteria, die oft den Charme einer Gefängniskantine hat, aufeinandertrifft und über Gott und die Welt spricht. Das ist dann der Einbruch banalster Leichtigkeit in eine innerlich sehr aufgeladene Atmosphäre. Weil die Menschen so unschuldig und jung aufeinanderstoßen, wie sie nun mal sind, und sie gleichzeitig etwas bewegt, was sie eigentlich per se voneinander entfernt. Und so habe ich darüber nachgedacht, was wohl passiert, wenn sich ein Opferenkel und ein Täterenkel ineinander verlieben. Was geht dann ab? Das war der Beginn, der Kern dieser Geschichte, zusammen mit einer Anekdote, die ich über solch ein deutsch- israelisches Liebespaar gehört habe.

Solche Konstellationen kommen vor?

Ja, öfter, als man denkt. Katrin Himmler zum Beispiel hat darüber geschrieben in ihrem beeindruckenden Buch über ihren Großonkel, den „Reichsführer SS“ Heinrich Himmler. Sie ist selbst mit einem jüdischen Nachfahren von Holocaustopfern verheiratet. Die gemeinsamen Kinder wachsen doch, jedenfalls stelle ich es mir so vor, in einer erstaunlichen Konstellation aus Liebe, Schuld und Sühne auf. Das hat mich inspiriert. Ich fand das ein schönes, ein hoffnungsvolles Bild, durchwirkt von unabwendbaren, weit in die Zukunft reichenden Konflikten.

Sie arbeiten oft mit solchen Bildern. Bei ‚VIER MINUTEN‘ sagten Sie, Sie hätten ein Foto einer uralten Klavierlehrerin in einer Zelle gesehen, und das sei ein solcher Gegensatz von Kunst und Knast gewesen, dass darauf der ganze Film gegründet wurde.

Bei den BLUMEN VON GESTERN war es komplexer. Ich hatte schon lange den Wunsch, etwas über die Verletzungen des Holocaust zu schreiben, die heute noch in uns wüten. Ich suchte aber nach einer Fabel. Mein Eindruck während der zehnjährigen Recherchen über die NS-Vergangenheit meiner Familie war, dass es auf der einen Seite in unserer Gesellschaft eine starke Gedenkmythologie gibt, die echten Schmerz, oder besser, gefühlte Gefühle eigentlich kaum noch zulässt. Und auf der anderen Seite hat dieses Menschheitsverbrechen eben Folgen, die über mehrere Generationen nahezu unbewusst auf ganz anderen Kanälen weitergegeben werden und bis heute fortdauern. Es gibt einige Psychiater, die sich von diesen Folgen redlich nähren. Und das ist nur eine sehr flapsige Umschreibung dafür, dass die Dinge noch lange nicht vorbei sind, nur weil man seit Jahrzehnten so tut, als könne man mit ordentlichen Holocaust-Gedenktagen, dem Besuch des Anne-Frank-Hauses und jahrelangem und oft quälend einschlägigem Schulunterricht den Nationalsozialismus bewältigen.

Zumindest halten diese Dinge die Erinnerung wach.

Und das ist das Gute daran. Aber in einem Land, das ein erhebliches rechtes Wählerpotential bekommen hat, trotz aller Erinnerungsmantras, glauben auch in Fachkreisen immer weniger Wissenschaftler daran, dass das auf Dauer funktionieren kann. Weil das ständige Wiederkäuen von Lehrsätzen niemanden mehr innerlich berührt. Selbst Organisationen wie „Aktion Sühnezeichen“ überlegen, wie man in Zeichen des demographischen Wandels dieses Thema künftig vermitteln kann, gerade Jugendlichen gegenüber. Die Zeitzeugen verschwinden, durch Immigration wandelt sich unser Land. Wie erreicht man Jugendliche, deren Vorfahren gar nicht von hier kommen? Das kann man meines Erachtens nicht statisch lösen, mit einbetonierten Riten, die ihre innere Kraft verloren haben. Ich finde, dass man einen lebendigen Zugang zu den Nachbeben dieser Ereignisse braucht, die vor über siebzig Jahren die Grundfesten der Zivilisation erschütterten, aber eben immer noch fortwirken. Es ist nicht vorbei. Im Augenblick erleben wir furchtbare Zeiten, in Syrien, in Libyen. Man hat fast den Eindruck, die halbe Welt brennt. Bestialität stirbt nicht aus, sie ist ein Teil unserer mentalen Ausstattung. An dieser Stelle wollte ich ansetzen.

Die Erinnerungskultur dieses Landes wird in Ihrem Film immer wieder ironisiert.

Ich weiß nicht, ob man das so pauschalisieren kann. Die formalisierte Erinnerungskultur wird vielleicht ironisiert, aber nicht die Erinnerungskultur der Protagonisten, die ja aufgrund der Traumata unmittelbar ist und in jedem Moment des Filmes herausgefordert wird. Es gibt von dem Soziologen Harald Welzer ein großartiges Buch über die gültige Erinnerungskultur Deutschlands, und das heißt sehr treffend „Opa war kein Nazi“. Darin wird beschrieben, wie es einerseits geradezu einen Holocaust-Kult gibt in diesem Land, einen offiziellen, von jedem einzelnen losgelösten, fast abstrakten Mythos. Und wie andererseits in die individuellen Familiengeschichten überhaupt nicht eingedrungen ist und nicht eindringt, dass all die Perversionen, die geschehen sind, ja auch irgendjemand gemacht haben muss. Und blöderweise waren das halt nun mal in ganz erheblichem Maße die eigenen Vorfahren. Und nicht Nazis aus dem Weltall.

Sie haben mit der Hauptfigur des Toto jemanden gewählt, der wie Sie die NS-Geschichte seiner Familie erforscht.

Alle meine Filme haben in irgendeiner Weise mit mir zu tun. Das war in ‚Poll‘ nicht anders, wo ich die Geschichte meiner Großtante Oda Schaefer zum Anlaß nahm, der Frage nachzugehen, wie und warum sich jemand gegen die Überzeugungen der eigenen Familie stellt. Oda war ja Schriftstellerin und Sozialistin gewesen, und ihr Cousin, mein Großvater, wurde fanatischer Nationalsozialist. Oda nannte ihn in ihren Briefen übrigens „den Blutigen“, und er verachtete sie als Kommunistenschlampe. Dennoch haben sich die beiden in München im Rentneralter immer mal wieder zum Kaffeetrinken verabredet, einfach weil sie miteinander verwandt waren. Absurd. Dieses Andocken an Dinge, mit denen ich mich vertraut fühle, bedeutet aber nicht, dass ich nicht eine totale Fiktion entwerfe.

In dem Film spielt Sexualität beziehungsweise die Abwesenheit von Sexualität eine gewisse Rolle.

Weil es unter anderem ein Liebesfilm ist. Da habe ich lange darüber nachgedacht, welche Versehrtheit den Hauptfiguren den Zugang zueinander erschwert. Sexualität war aus meiner Sicht ein perfektes Ausdrucksmittel, weil sie das Kreatürliche, den Kern des Lebens, verkörpert, während die beiden Protagonisten beruflich dem Kern des Todes, oder, noch schlimmer, dem Kern des Tötens nachspüren. Das ist ja ein absurder Beruf, Holocaustforscher.

Waren die komödiantischen Elemente von Anfang an gesetzt bei den BLUMEN VON GESTERN?

Ja. Absolut. Schon weil von Anfang an klar war, dass es eine Versöhnungsgeschichte werden soll. Also eine Geschichte über die Chancen, die Menschen einer unmöglich erscheinenden Versöhnung einräumen. Diese absolute Trennung zwischen „Juden“ und „Deutschen“, die der Holocaust gezeitigt hatte, schien ja auf alle Zeiten das Verhältnis der Völker zueinander festgelegt zu haben. Vor diesem Hintergrund ist eine Liebesgeschichte zwischen einer Jüdin und einem Deutschen, dessen Großvater die Großmutter der Jüdin ins Gas geschickt hat, am denkbar weitesten weg von der Trennung, die die Nazis verbrochen haben. In dem damit verbundenen Wunsch nach Versöhnung liegt auch die Legitimation des Komödiantischen, des Leichten, wie ich finde.

Es gab niemals die Frage: Darf man das, über dieses Thema lachen?

Lacht man denn über ein Thema? Ich denke, man lacht über den Menschen und seine absurde Zuversicht, einen Sinn im Dasein zu erkennen. Der Sinn, den Toto in seiner Forschung einst gesehen hat, wird ja durch die Kommerzialisierung der guten Absicht zum Teil ad absurdum geführt. Wir begegnen Toto in seiner tiefsten Sinnkrise, das eben gibt ihm komisches Potential. Mein Produzent Danny Krausz, dessen Vorfahren selbst Holocaustüberlebende waren, dessen Vater sogar für die Haganah in Palästina gekämpft hat, hat mir immer gesagt: Du darfst das nicht nur komödiantisch machen. Du musst es sogar komödiantisch machen. Danny war einer der größten Förderer und der neben Kathrin Lemme wichtigste Partner dieses durchaus schwierigen Projekts, das sich immer wieder rechtfertigen musste vor solchen Fragen nach der Zulässigkeit von Humor. Das finde ich abstrus, weil damit ein Denkverbot einhergeht. Ein Lachverbot ist immer auch ein Denkverbot.

Gab es filmische Vorbilder?

Einige. Für uns war immer der wunderbare Film von Roberto Benigni ein Vorbild: „Das Leben ist schön“. Obwohl dieser Film von Tragik und Trauer grundiert ist, freut man sich über den Triumph, den die Hauptfigur am Ende über die Nazis davonträgt. Warum sollte man sich in unserem Film nicht über den Triumph freuen, der die eigentlich unmögliche Liebe zwischen Toto und Zazie bedeutet? Ich wollte ja gerade, dass man sich darüber freut, und beim Freuen hilft Humor, das ist nun einmal so.

Der Film reflektiert stark die Fragen nach Schuld und Verantwortung.

Ja, weil das eben auch von den Protagonisten so reflektiert wird. Toto trägt seine hohe Moral sehr sichtbar vor sich her, die nicht nur alle Menschen nervt, sondern an der er aufgrund seiner Gewaltbereitschaft auch ständig scheitert. Sie kann ja aufgrund seiner eigenen Vergangenheit gar nicht lebbar sein, wobei die reine Moral sowieso nicht lebbar ist. Moral kollidiert immer mit dem Leben. Toto stopft also sein moralisches Loch, seine zahllosen Schuldgefühle, mit betont hohen Moralerwartungen an sich selbst und an seine Umwelt aus. Damit muss er scheitern, so wie Don Quijote an seinen Vorstellungen einer vollkommen ritterlichen Gesellschaft scheitert, die es eben gar nicht gibt. Von der ersten Szene an wertet Toto seine Umwelt ohne jede Nachsicht und ist dabei doch selbst ethisch hochgradig angreifbar. Diesen inneren Widerspruch, diese Ambivalenz, wollte ich unbedingt erzählen. Wie soll das jedoch möglich sein, wenn man nicht Elemente der Komödie einsetzen kann? Toto ist eben eine zutiefst komödiantische Figur, bei aller inneren Tragik.

Sie sprachen vorhin über das Element der Versöhnung in dem Film. Toto wirkt doch recht unversöhnlich.

Ja eben, deshalb fällt ihm und damit dem Film das der Handlung innewohnende Ziel so schwer. Toto verzeiht sich ja nichts. Und um sich zu bestrafen, verzeiht er auch den anderen Menschen nicht das geringste. Strafe hat ja immer was mit Moral zu tun. Mit Moral, die nicht geklappt hat, natürlich.

Wie ist es mit der Figur der Zazie, in die Toto sich verliebt?

Zazie war für mich immer in gleichem Maße von der Familienvergangenheit traumatisiert wie Toto, hatte nur aufgrund eines anderen Temperaments andere psychische Erscheinungsformen. Aber die Zerstörungen in beiden Charakteren sind doch vergleichbar. Darüber nähern sie sich einander an. Über ihre Mängel und Traumata. So etwas verbindet.

Wie wurde die schauspielerische Interpretation der Hauptrollen erarbeitet?

Vor allem durch Proben. Leider hatten wir nicht sehr viel Zeit diesmal. Es gab nur eine Woche Hauptproben, was bei den komplexen Figuren schwierig war.

Wie kann man sich die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Lars Eidinger vorstellen?

Als großen Glücksfall für mich. Lars ist ein Schauspieler, wie ich noch nie zuvor einen kennengelernt habe. Er schlüpft eigentlich immer in Rollen, aber mit einer so unglaublichen Wahrhaftigkeit, dass er dennoch in jeder Sekunde er selbst ist. Ich liebe sehr, wie er die Reflexion über sich in seine Arbeit trägt. Wir haben uns sehr gut verstanden. Am Anfang hatte ich etwas Sorge, weil das menschenfeindliche Element seiner Figur so überhaupt nicht in ihm spürbar war. Aber er hat es schnell gefunden. Er nimmt alles wahnsinnig ernst und ist gleichzeitig wahnsinnig spielerisch. Dass man diese beiden Extreme so verknüpfen kann in einer Person, das ist schon irre. Ich bewundere ihn zutiefst.

Wie sind Sie auf Adèle Haenel gekommen, die in Frankreich längst ein großer Star ist?

Das war ursprünglich ein Vorschlag von der Casterin Nina Haun, mit der ich fast alle meine Filme gemacht habe. Als ich Adèle vor drei Jahren kennenlernte, war sie eine aufsteigende Jungschauspielerin, nicht der französische Megastar von heute. Wir hatten großes Glück, dass sie aus persönlichen Gründen gerne in einem deutschen Film spielen wollte, um ihren eigenen deutsch-österreichischen Wurzeln nachzuspüren.

Wie kommt es, dass Adèle Haenel nahezu fließend Deutsch spricht?

Ein wahres Wunder. Adèle konnte bis auf zwei, drei Brocken kein einziges deutsches Wort, als ich sie zum ersten Mal traf. Ihre Figur musste diese Sprache aber gut beherrschen. Ursprünglich hatten wir geplant, ihr einen Sprachcoach an die Seite zu stellen, so wie wir das mit Tambet Tuisk in ‚Poll‘ gemacht hatten. Aber Adèle weigerte sich standhaft, fand das unauthentisch und jagte den Armen fort. Sie sagte mir: „Gib mir drei Monate, dann spreche ich wie Goethe“. Und so war es. Sie lebte ein paar Wochen in Dresden, nahm sich in Paris eine Privatlehrerin und als sie schließlich nach Berlin zum Drehen kam, war sie ein richtiges Plaudertäschchen und konnte fluchen wie die Berliner Taxifahrer. Das war schon sehr beeindruckend.

Wie war es, nach zehn Jahren wieder mit Hannah Herzsprung zu arbeiten?

Wahnsinnig berührend. Wir haben uns ja nie aus den Augen verloren. Für uns beide war ‚Vier Minuten‘ ein Punkt, an dem unsere Karrieren begannen. Wir wollten schon bei ‚Poll‘ wieder zusammenarbeiten, aber ihre Rolle wurde im letzten Moment gestrichen. Als wir uns am Set trafen, war die alte Vertrautheit sofort wieder da. Ihre Rolle der Ehefrau Totos war eine Herausforderung, zumal wir sie um zehn Jahre älter machen mussten. Wir haben sie körperlich verändert, sie bekam so einen wulstigen Fat-Suit an. Und sie hatte da großen Spaß gehabt, riesige Brüste zu bekommen. Sie sollte ja so einen Panzer aus Fett haben, mit dem sie sich selber gegen ihr Leben wehrt, nichts an sich heranlässt. Und sie hatte auch Lust, auf verlebte Nymphomanin geschminkt zu werden. Sie ist eine ungeheuer mutige Schauspielerin, und das schätze ich ja sowieso an Schauspielern am meisten: Mut.

Mut hatte auch Jan Josef Liefers, der einen Teil seiner Rolle lispelnd und mit Kieferschiene absolvieren musste.

Jan ist einer der tollsten Komödianten, die wir überhaupt haben. Wir kannten uns vorher kaum. Ich wusste aber durch die ‚Turm‘-Verfilmung sowie einen schwedischen Film, bei dem er mitgemacht hatte, über welche Tiefe er verfügt. Als Balti sollte er nicht nur eine Witzfigur sein, sondern auch ein tragisches Gewicht haben, das nur in sehr wenigen Momenten zum Ausdruck kommt. Das hat mich ungeheuer beeindruckt, wie er das gestaltet hat. Was Timing anbelangt, ist er sensationell. Jan hat überhaupt keine Allüren, und die Kieferschiene, auf die Sie anspielen, konnte ihm gar nicht albern genug sein. Das muss man erst mal mit dieser Selbstverständlichkeit hinkriegen.

In der beeindruckenden Nebenrolle der Frau Rubinstein, die das Geschehen auf ganz eigene Weise erdet, ist Sigrid Marquardt zu sehen, die selten im Film spielt.

Sigrid Marquardt ist eine einst sehr berühmte Burgschauspielerin gewesen, die jedoch seit 50 Jahren kaum Filme gemacht hat. Leider starb sie vor wenigen Wochen, und das ist sehr traurig. Sie wollte unbedingt diesen Film vor ihrem Tod noch sehen. Wir taten alles, um ihr diesen Wunsch zu erfüllen. Aber als dann die Vorführung in ihrem Krankenzimmer sein sollte, war sie kurz zuvor gestorben. Sie hat ihrer Figur eine Grandezza und gleichzeitig eine Bärbeißigkeit gegeben, ohne die diese vielleicht schwierigste Figur des Films leicht in die Karikatur hätte rutschen können. Sigrid, die 91 Jahre alt wurde, hat die Nazizeit ja noch als Erwachsene erlebt, worüber sie auch immer wieder sprach während der Dreharbeiten. Ihr war der Film wichtig, gerade auch mit dem, was er erzählen will.

Im Team sind viele Mitarbeiter aus Ihren früheren Filmen dabei, gleichzeitig gibt es auch einige neue Gesichter.

Ich arbeite am liebsten mit meinem gewohnten Team und ich besetze auch gerne Schauspieler, die ich schon kenne. Diese Anhänglichkeit ist vielleicht ein Reflex auf das Vergehen von Zeit. Und natürlich auch eine gewisse Sehnsucht nach Qualität. Diesmal war die Produktion zum Teil kriegsähnlich – nicht in der Atmosphäre des Drehens, ganz und gar nicht. Sondern schlicht im Zustandekommen, das immer wieder elementar gefährdet war, über die Jahre der Entwicklung, Finanzierung, Produktion hinweg.

Welche Schwierigkeiten hatten Sie zu überwinden?

Die Kamera zum Beispiel sollte ursprünglich Daniela Knapp übernehmen. Aus familiären Gründen ging das nicht, sie musste kurz vor Produktionsbeginn aussteigen. Dann übernahm Busso von Müller, der kurz darauf schwer erkrankte und wenig später starb, ein tragischer Verlust. Sonja Rom musste dieses schwere Erbe antreten, ein Wahnsinn eigentlich, die beiden hatten miteinander an der dffb studiert, zusammen mit mir. Sonja kam vier Wochen vor Drehbeginn auf das Projekt und bis zur ersten Klappe konnten wir nicht ein einziges Mal das Buch durchsprechen, weil wir einfach damit beschäftigt waren, die Drehorte zu finden. Die optische Auflösung fand on location statt, während des Verfertigens der Gedanken beim Drehen. So habe ich noch nie gearbeitet, und das gilt auch für andere Drehbedingungen. Wie auch immer: Sonja hat das phantastisch gemacht, hat die schwierigen Umstände in einen Vorteil umgewandelt, indem sie Bilder von Improvisation und Frische erfand, was den Film sehr erdet, wie ich finde.

Sie haben an sehr unterschiedlichen Orten gedreht.

Wir waren eine Reiseproduktion, ja. Deshalb konnten wir immer wieder längere Pausen einlegen, in denen wir dann weiterplanen konnten. Gedreht wurde in Baden-Württemberg, in Berlin, in Wien, in Riga, in New York, und wegen der begrenzten Verfügbarkeit der Schaupieler mussten wir immer wieder durch die halbe Welt düsen, das war ein vollkommen zerhackter Drehplan. Da ich die Szenographin Silke Buhr und die Kostümbildnerin Gioia Raspé schon seit fünfzehn Jahren kenne, war dieser logistische Irrsinn überhaupt nur möglich. Und die Produzentin Kathrin Lemme, meine wichtigste Kombattantin, der die Initialzündung für das Projekt zu verdanken ist, hat mir gemeinsam mit Danny Krausz den Rücken freigehalten. Wobei man den Produktionsleiter Peter Hermann und seine Mannschaft hier auch besonders hervorheben muss. Das war schon alles flirting with desaster.

Was denken Sie, wenn Sie auf die Arbeit an DIE BLUMEN VON GESTERN zurückblicken?

Letztlich wurde uns sehr sehr viel geschenkt – durch die großartigen Schauspieler, die fantastischen Mitarbeiter und viele glückliche Umstände. Es war von Anfang an klar, dass wir keinen Konsensfilm machen, sondern einen Dissensfilm, einen Film darüber, wie sich die Deutschen mit ihrer Geschichte gerade nicht auseinandersetzen. In diese Diskussion einen frischen Wind hineinzubringen, etwas Verstörendes hineinzubringen, das hat uns alle getrieben und beflügelt. Und dass es dieser Film ins Leben geschafft hat, macht einen vielleicht noch nicht zufrieden. Aber stolz macht es einen schon, so wie einen jede Geburt um so stolzer macht, je schwieriger sie ist.

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Die Blumen Von Gestern
DIE BLUMEN VON GESTERN. Ein Film von Chris Kraus mit Lars Eidinger, Adèle Haenel, Jan Josef Liefers und Hannah Herzsprung
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